Mir träumt ich bin der liebe Gott
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Exhibition: 27 November 2003 – 17 January 2004
Galerie Krinzinger
Schottenfeldgasse 45, 1070 Vienna, Austria
www.galerie-krinzinger.com
ZENITA KOMAD – LEBEN UND LEBEN LASSEN
zum 1. Teil der Ausstellung im Projektraum der Galerie Krinzinger
von Severin Dünser
„Si Dieu n’existait pas, il faudrait l’inventer“, schrieb Voltaire schon 1768, und Zenita Komad zitiert ihn 2003 mit diesem Satz am Ende ihres neuen Films. Was Voltaire in der Rolle eines Vertreters der Aufklärung formulierte, richtete sich direkt an die Gesellschaft, war es doch erklärtes Ziel der Aufklärung, diese hin zu einer auf Wissen basierenden Gemeinschaft umzugestalten. Diese Ziele haben sich bis heute mehr oder weniger durchsetzen können, und Kunst ist nunmehr ein Katalysator der Gesellschaft geworden, ein sensibles Medium zwischen Künstlern und Gesellschaft.
„We don’t have an opinion“, kann man auf einem von Komads Bildern lesen. Die Botschaft richtet sich unmittelbar an den Betrachter, es ist klar, wer hier mit „we“ gemeint ist. Mit knappen Feststellungen zur Lage der Dinge zwingt Komad den Betrachter zum Eintauchen in ihre Welt, eine subjektive Sicht der Dinge. Und der Betrachter, selbst zur ständigen Annahme von Standpunkten gedrängt, weiß was sie meint.
Beuys’ These „Kunst = Leben“ und deren Wechselschluss „Leben = Kunst“ scheint in ihren Werken omnipräsent zu sein, eine Loslösung ihrer Person von den Werken undenkbar. Wenn Beuys hier anfügt,“Ästhetik ist eine Begleiterscheinung jeder menschlichen Tätigkeit“, lässt Komad hier nur den Wechselschluss zu – Leben ist eine Begleiterscheinung jeder künstlerischen Tätigkeit.
Dass das Leben durch die Kunst nicht so einfach ist, offenbart sich in Bildern wie „Guerre de nerfs“, oder „Rette sich wer kann“, der Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft zeichnet sich in „We don’t have an opinion“ oder etwa „la mia patria“ ab. Die innige Verschränkung mit der Kunst ist an „God is a curator“ deutlich zu spüren.
An eben jener Schnittstelle zwischen Realität und Fiktion, zwischen Kunst und Leben entstehen dann auch Arbeiten mit Titeln wie „ Mir träumt ich bin der liebe Gott“, aber hier fängt das Spiel mit den Ebenen erst an: Zenita Komad arbeitet bei vielen ihrer Bilder mit Passphotos aus Automaten. Die möglichst getreue Naturnachahmung ist diesen Photos inhärent, es ist die Funktion der Automaten. Komad stellt Photos in den Automaten, verwendet Personen und
fügt ihnen Attribute hinzu – es entstehen so Serien aus deren Masse sie schließlich auswählt, einzelne Photos dann aufbläst, und in ihre Arbeiten integriert. Die Photos werden auch übermalt, zusätzlich verfremdet – am Ende erhält sich der Charme der Photographien und paart sich in Komads Arbeiten mit ihrer lockeren Malweise zu einer Synergie aus Kunst und künstlerischer Realität.
Alles was sie der Realität entnimmt und in ihr Schaffen, eine nicht differenzierende Malerei, integriert, gibt sie auch wieder zurück. In Fotoautomaten speist sie ihre Bilder ein, die darin als Hintergrund fungieren – man kann sich dann selbst in ihre Arbeit integrieren. Inwieweit der Versuch der allumfassenden Integration in ihre Malerei, ihr Werk, und der Austausch zwischen Künstlerin, Kunst und Gesellschaft geglückt ist, davon sollte sich jeder selbst ein Bild machen.