Zenita Komad: „Gott ist kein Bankomat“

Almuth Spiegler in „Die Presse“, 12.7.2012

Komad macht sich im Kulturzentrum der Minoriten auf die Suche nach einer neuen Spiritualität. Zwischen Esoterik, Weltreligionen, Konsumversuchung. Mit über 1000 Meter Seil ihr spirituelles Spinnennetz enttarnt.

Es ist ein alter Trick, aber er funktioniert. Im Georgskloster im Vadi Kelt in Israel etwa. Da ist die Eingangstür so nieder, dass man gezwungen ist, seinen Kopf demütig zu senken, wenn man eintreten will. Auch dem Besucher von Zenita Komads Ausstellung im Grazer Minoriten-Zentrum bleibt nichts anderes übrig, als erst einmal das Haupt zu beugen, vor dem Ort und dem Geist darin. Ein elegantes, blutrotes Seil läuft in Stirnhöhe quer über den Stiegenausgang im ersten Stock. Verschwindet wieder in der Wand. Durchbricht das Fenster. Spannt sich hinaus in den Hof des alten Klosters. Kehrt wieder zurück. Durchmisst Raum für Raum, kreuz und quer das Kunstzentrum. Als wären die Kraftlinien, an deren Kreuzungspunkten sich alte Kultplätze schon immer gerne befunden haben sollen, plötzlich sichtbar geworden.

Mit über 1000 Meter Seil hat die 27-jährige, in Klagenfurt geborene, in Wien ausgebildete, in ihrem „Zenita Universe“ aufgehende Künstlerin ihr spirituelles Spinnennetz enttarnt: „Alles ist mit allem verbunden“, sagt sie, ob das jetzt Menschen oder Weltreligionen betrifft. Mit schweren alchemistischen Pendeln, gemacht aus Kupfer und Eisen, gefüllt mit Salzkristallen, hat sie dieses Netzwerk angezapft, sie hängen in vier Räumen von der Decke und ziehen in den Sand unter ihnen meditative Kreise.

„Ich verzeihe mir – und allen anderen“

Aus Sand ist auch der „Altar“, den Komad aufgebaut hat: „Ich verzeihe mir“ entziffert man auf dem Sandbild die dreidimensionalen, herunterpurzelnden Buchstaben, die am Boden ergänzen: „und allen anderen“. Vor so viel austherapierter Weisheit darf, muss man opfern und auf einem Stein „heilige Substanzen“ wie Weihrauch, Sandelholz oder Minze verbrennen. Und nachdenken. Ja, Komad meint das wirklich ernst, das ist kein seichter Multireligionskitsch. Sie lernt Hebräisch, Zen-Bogenschießen und allerlei Schamanisches. Sie verkörpert mit heiligem Ernst das, was Anfang des 21.Jahrhunderts die erste erwachsene „global generation“ durch die Weltgeschichte treibt, die Suche nach einer neuen Spiritualität. Der Ausstellungstitel „I love God“ kommt bar jedes Zynismus von Komads Herzen, garantiert.

Es ist der Hauch von Ironie und Diven-Pop, der den Jungmädchenpathos so authentisch belässt wie interessant macht: „Gott ist das Nichts“ liest man knallig auf einer Leinwand. Doch über das „Nichts“ hat sich in roter Farbe ein feines „nicht“ geschummelt – „Gott ist nicht Nichts“ wäre eine andere Lesart. Lässig scheint sich das große Bild die Jeansjacke einer Riesin um die Schultern geworfen zu haben. Der Schutzmantel einer Madonna? Oder der Vorhang, der in der Kunstgeschichte entweder vor besonders obszöne oder besonders heilige Bilder gehängt wurde?

Auch das Reliefbild eines Bankomaten bekam eine derart alltägliche Ummantelung – „Gott ist kein Bankomat“ steht darüber. Vom prallen Konto der Weltreligionen kann man eben nicht einfach so abheben für sein Seelenheil. Und Erleuchtung ist kein Caffè Latte, könnte man ergänzen. Die Ambivalenz einer Sinnsuche in beschleunigten Zeiten von Facebook und Billigfliegern ist Komad wohl bewusst. „Spirituality is not Shopping“ nannte sie ihre vorhergegangene Ausstellung im Wiener Jüdischen Museum. Wie dort wurde auch bei den Grazer Minoriten eine ganze Wand voll Orakel-Collagen gehängt – historische Stiche mit flotten Sprüchen: „Die Realität ist eine Kopie“. „Ich pfeif auf das ganze Demutsgequatsche“. Oder ohne Worte: Die Gesetzestafel, die Moses in Händen hält, ist herausgeschnitten. Die reine Lehre: das Nichts. Oder ein unbeschriebenes Blatt.

Was einem solchen leicht passieren kann, wird einem drastisch im Film von Rebekka Hagg, Komads Schwester und ebenfalls Künstlerin, vor Augen gehalten: Das Mädchen beginnt in weißem Prinzessinnenkleid den Tag, doch schon das Zeitunglesen hinterlässt erste Farbspuren, emotionale Markierungen. Die Freundin, das Telefonat, die Verkäuferin, der Verehrer – alle besudeln sie ständig, unbemerkt von der Trägerin. Bis ihr am Ende eine gleich gesinnte Seele begegnet, ebenfalls von oben bis unten voll Farbe. Doch sie erkennen sich nicht, natürlich.

Die zweite Gästin, die Komad in ihr Kraftnetz gesponnen hat, brachte ein kostbares Geschenk mit. Komads Herzschlag, aufgezeichnet auf Platten aus Eis. Wird eine solche einmal die Woche auf den Plattenspieler gelegt, schmilzt der Ton in wenigen Minuten dahin. Man muss eben sehr achtsam lauschen, auf das Herz des anderen.

Mariahilferplatz 3, Graz, bis 16. September 2012.
Im Juli/August nur Sa und So 11–17h.