„Also sprach Willhaben: Die Ökonomie des Glaubens“

von Anne Avramut

Geld und Gott: Zwei Systeme der Macht, zwei unsichtbare Ordnungen, die die Welt formen. In der Installation „Also sprach Willhaben, du sollst keine anderen Götter haben, neben mir. “ stellt Zenita Komad die Frage nach dem neuen Monotheismus: der totalen Herrschaft des Konsums. Der Satz aus den Zehn Geboten wird in die Sprache des digitalen Kapitalismus übersetzt. Logos globaler Konzerne – Amazon, Google, Zalando, eBay – stehen nicht zufällig im Zentrum dieser Inszenierung. Sie sind die neuen Hohepriester einer Welt, in der „Willhaben“ nicht mehr ein Wunsch ist, sondern eine Doktrin.

Die Gleichung 8 × 10⁹ = 1 erhebt eine fundamentale Behauptung: Acht Milliarden Menschen sind nicht getrennte Individuen, sondern eine Einheit. Eine Metapher für das Ganze, das größer ist als seine Teile. Doch wer glaubt daran? Und was trennt uns vom realen Erleben dieser Einheit?

Eine Lupe zeigt den BetrachterInnen den Heiligen Domitian (8. Jh. n.Chr.), der für seine Frömmigkeit und Wohltätigkeit bekannt war. Dies kann als Komads Hinweis darauf interpretiert werden, dass traditionelle Werte wie Wohltätigkeit neu bewertet und verstanden gehören. Die musikalische Komposition von Nadir Gottberg thematisiert die Überwindung des Egos und die begleitende Arie untersucht die inneren Prozesse des Menschen der zur Erlösung und Liebe gelangen möchte.

Das Werk fragt, ob unser Egoismus, unser endloses Begehren nach Besitz, uns von dieser Erkenntnis abhält. Vor der übergroßen Leinwand steht eine Badewanne – Sinnbild für Reinigung, für Katharsis, für den symbolischen Akt des Loslassens. Doch umgeben ist sie nicht von asketischer Leere, sondern von Waren, Markennamen, Verpackungen – den Fetischen einer konsumistischen Religion.

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Reichtum ist nicht neu. „Also sprach Willhaben“ ist kein kommunistisches Manifest, sondern eine Reflexion über die Frage, wie Reichtum und Geld als Mittel für ein größeres Ganzes eingesetzt werden kann. Musik und visuelle Elemente bilden eine Brücke zwischen der inneren Arbeit des Menschen und seiner äußeren Welt.

Schon immer standen Glaube und Besitz in einem Spannungsverhältnis. Doch was bedeutet das heute, in einer Zeit, in der Reichtum nicht mehr in Goldmünzen gemessen wird, sondern in Daten, Algorithmen, digitaler Aufmerksamkeit? Komad öffnet eine Reflexion darüber, welche Werte in der heutigen Gesellschaft tatsächlich noch spirituellen Gehalt haben.

Das Bild „Willhaben – Gutes Leben“ verdichtet diese Ambivalenz. In der Ästhetik eines Werbeplakats wird die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben in einem einzigen Slogan eingefangen. Doch was bedeutet „gut“ in einer Welt, in der Haben und Sein untrennbar verwoben scheinen?

Eine ähnliche Spannung durchzieht das Werk „Daddy, why do they suffer, because Peace and Harmony Can’t Be Bought on Amazon“. Die klassische mythologische Darstellung wird von einem modernen Kommentar überlagert: eine Frage, die gleichermaßen an die Konsumgesellschaft wie an die spirituelle Verantwortung des Einzelnen gerichtet ist. Der Kapitalismus, suggeriert das Werk, hat seine eigene Mythologie erschaffen. Doch im Gegensatz zu den alten Göttern erfordert er keinen Glauben, sondern nur Kaufkraft.

Die Frage nach Freiheit – von Wünschen, von Gier, von Angst – zieht sich durch Komads Arbeiten. In „We free ourselves when we are not enslaved by desires, fears, or negative thoughts“ wird das Bild einer Frau im goldenen Käfig zum Sinnbild für Selbstbefreiung. Ein Widerspruch, denn ein Käfig aus Gold ist noch immer ein Käfig. Und doch ist die Tür geöffnet. Befreiung, so scheint es, ist immer möglich – wenn man bereit ist, seine Existenz in die Hand zu nehmen und aktiv zu gestalten. Dabei geht es nicht um das Verteufeln von Geld, sondern um die Frage wie Geld als verbindende Kraft und als Mittel für das Wohl des Ganzen eingesetzt werden kann.

Am Ende stellt sich die Frage: Was wäre, wenn Konsum nicht das Gegenteil von Spiritualität wäre, sondern ihr missverstandenes Spiegelbild? Wenn Geld nicht nur Mittel der Macht, sondern auch eine Möglichkeit der Transformation wäre? Die Arbeiten von Zenita Komad verweigern einfache Antworten. Sie lassen offen, ob Reinigung bedeutet, den Kapitalismus zu verlassen – oder ob Spiritualität darin besteht, ihn in ein neues Bewusstsein zu überführen.