„Heiliger Boden: Ontologie und spirituelles Verlangen“
Zenita Komad

Galerie Michael Bella
13.02. – 28.03. 2025

von Anne Avramut

Die Ausstellung „Heiliger Boden“ von Zenita Komad, eingebettet in die Reihe „Jenseits des Daseins“, widmet sich der Frage nach der existentiellen Notwendigkeit von Spiritualität. Dabei wird Spiritualität nicht als isolierter religiöser Akt verstanden, sondern als ontologische Konstante, die das Menschsein in seiner Gesamtheit prägt. Komads Werke eröffnen einen Raum, in dem Rituale, Symbole und Transzendenz aufeinandertreffen und dem Besucher eine Reflexion über die Grundlagen seiner Existenz ermöglichen.

Hannah Arendt beschreibt in „Vita activa“ das menschliche Leben als dreifache Tätigkeit: Arbeiten, Herstellen und Handeln. Während das Arbeiten die grundlegenden Lebensnotwendigkeiten sichert und das Herstellen die Welt als permanentes Werk des Menschen gestaltet, ist es das Handeln, das den Raum der Freiheit und Sinngebung eröffnet. Komads künstlerischer Ansatz lässt sich als Erkundung dieser dritten Dimension verstehen – des Raums, in dem der Mensch über die bloße Existenz hinaus nach Sinn strebt. Ihre Arbeiten bewegen sich genau in diesem Spannungsfeld: zwischen der materiellen Welt, die unser Handeln umgibt, und dem Bedürfnis, über das Alltägliche hinauszugehen.

Die Installation „Gebete gehen weg wie warme Semmeln“ mit dem Berg aus 613 Semmeln verortet sich direkt in der Welt des Alltagsrituals. Brot, ein Symbol für Nahrung, Gemeinschaft und spirituelle Verbindung, verweist hier auf die Essenz des Lebens, aber auch auf die Flüchtigkeit dessen, was als heilig empfunden wird. Der Bezug zum Herstellen im Sinne Arendts wird offensichtlich: Das Brot als Produkt menschlicher Tätigkeit wird gleichzeitig zu einem Symbol, das über das Materielle hinausweist. Der darunter aufgeschichtete Berg aus Semmeln schafft eine Überfülle, die sowohl die Symbolik der Nahrung als auch die Vergänglichkeit unseres Lebens hervorhebt. Hier lässt sich auch ein kunsthistorischer Rückgriff erkennen, etwa zu den niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts, in denen Brot, Wein und andere Alltagsgegenstände immer auch die Vanitas-Thematik, die Vergänglichkeit des Seins, reflektieren.

Das Brot spielt eine zentrale Rolle im christlichen Ritus und ist tief in der religiösen und spirituellen Symbolik verwurzelt. Im Christentum ist Brot untrennbar mit der Eucharistie verbunden, in der es als Symbol für den Leib Christi verstanden wird. Die symbolische Handlung des Brotbrechens verweist auf spirituelle Nahrung und die Gemeinschaft der Gläubigen. Es wird zum Medium, durch das das Heilige greifbar wird und eine Brücke zwischen Diesseits und Jenseits geschlagen wird. Auch im Judentum hat Brot eine zentrale Rolle, besonders bei den Ritualen von Schabbat und Pessach. Die geflochtene Challa erinnert an den Bund zwischen Gott und dem Volk Israel, während das ungesäuerte Mazza die Flucht aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei symbolisiert. Im jüdischen Glauben sind die Zehn Gebote die Grundlage des Religionsgesetzes. Darüber hinaus nennt die Tora weitere 613 „mizwot“: 248 davon sind Gebote, also religiöse Pflichten und 365 sind Verbote.  Komad hat bewusst als Zitat den Semmelberg aus 613 Semmeln gebaut. Im Islam steht Brot (khubz) ebenfalls als Zeichen göttlicher Versorgung und wird häufig bei Festen geteilt, um Gemeinschaft und Dankbarkeit zu symbolisieren. (Douglas, 2002)

Diese spirituelle Dimension des Brotes verweist auf eine grundlegende menschliche Notwendigkeit: Während das Brot als Nahrung den Körper nährt, steht es zugleich für die geistige Nahrung, die der Mensch durch Rituale, Gebete und die Sinnsuche erhält.

Gebet wird hier als eine ontologische Tätigkeit verstanden – eine Handlung, die über die bloßen biologischen oder gesellschaftlichen Notwendigkeiten hinausgeht und den Menschen mit einem höheren Sein verbindet. Das Gebet spiegelt die existenzielle Suche nach Orientierung und Transzendenz wider, ähnlich wie das Brot in seiner physischen Form eine Basis für das Leben schafft. In Komads Werk wird diese Verflechtung von Materiellem und Spirituellem sichtbar: Das Brot und das Gebet erscheinen als gleichwertige Grundpfeiler menschlicher Existenz, beide notwendig, um Körper und Geist gleichermaßen zu nähren. Ihre künstlerische Inszenierung – die Inszenierung von Brot als Objekt des Rituals – führt die BetrachterInnen zu der Frage zurück, wie die Verbindung von Alltag und Spiritualität in unserem modernen Leben wiedererlangt werden kann.

Die Inschrift „Gebete gehen weg wie warme Semmeln“ verleiht der Arbeit eine humorvolle Ebene, die jedoch auf die Vergänglichkeit von Spiritualität und die Kommodifizierung von Glaubenspraktiken verweist. Der Berg aus 300 Semmeln verstärkt diese Botschaft, indem er Überfluss und Konsum reflektiert, zugleich aber an die Fragilität des Heiligen erinnert.

Ästhetisch und konzeptuell lässt sich diese Arbeit im Dialog mit Maurizio Cattelans ikonischem Werk „Comedian“ (2019) lesen, in dem eine Banane mit Klebeband an die Wand befestigt wurde. Während Cattelan die Banalität des Alltäglichen als Provokation einsetzt, transformiert Komad das Alltägliche in einen Raum der Reflexion und des Rituals. Die physische Präsenz des Brotbergs verweist darüber hinaus auf die Tradition der barocken Vanitas-Stillleben, in denen Brot häufig als Symbol für Vergänglichkeit und spirituelle Transformation eingesetzt wurde.

Die Arbeit erinnert auch an Felix Gonzalez-Torres ikonische Installation „Untitled (Portrait of Ross in L.A.)“ (1991), bei der ein großer Haufen bunter, in Zellophan verpackter Bonbons gezeigt wurde. Während Gonzalez-Torres Werk auf die Thematik des Verlustes und der AIDS Epidemie verweist -  mit den Zuckerln, die für das Gewicht seines Partners stehen und durch die Interaktion der BetrachterInnen physisch verschwinden (Goldmann, 2009) -, greift Komads Arbeit das Element des Verbrauchens und Verschwindens auf, indem sie Brot als Symbol für Nahrung und spirituelle Praxis in den Fokus stellt. Ähnlich wie bei Gonzalez-Torres fordert Komads Installation die BetrachterInnen heraus, über die Vergänglichkeit und den Übergang zwischen individueller und kollektiver Erfahrung nachzudenken. Der Berg aus Semmeln steht für Überfluss, aber auch für die Zerbrechlichkeit von Ritualen, die im zeitgenössischen Alltag häufig mechanisch oder banalisiert erscheinen.

Die Arbeit „Die Schlafende“, mit der Figur die von moderner Technologie umgeben ist, stellt eine weitere Dimension des spirituellen Verlangens dar: das Technospirituelle. Während die digitale Welt oft als Ablenkung oder Entfremdung vom Wesentlichen betrachtet wird, schafft Komad eine kritische Reflexion, die das Verhältnis zwischen Technik und Geist hinterfragt. Der Satz „You are wherever your thoughts are. Make sure your thoughts are where you want to be“ lädt ein, die Kontrolle über die eigenen geistigen Prozesse zu übernehmen, und erinnert an klassische philosophische Ansätze, etwa bei Descartes, der im Denken die Grundlage des Seins fand. Gleichzeitig kann man hier einen Bezug zu Byung-Chul Han sehen, der in seinen Schriften, insbesondere in „Müdigkeitsgesellschaft“ und „Vita Contemplativa“, die Überforderung der modernen Gesellschaft analysiert und eine Rückkehr zur kontemplativen Ruhe fordert – eine zentrale Grundlage für spirituelles Wachstum.

Das Damoklesschwert, das über dem Bett hängt, führt die Spannung zwischen Spiritualität und Existenzangst auf eine neue Ebene. Die Symbolik des Schwertes, das auf die uralte Geschichte des Damokles zurückgeht, stellt die Fragilität menschlicher Existenz und das ständige Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit in den Mittelpunkt. Hier greift Komad auf kunsthistorische Traditionen zurück, die vom Mittelalter bis zur Romantik reichen, und zeigt, dass Spiritualität oft aus der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit entsteht. In Verbindung mit der Schlafinstallation erinnert diese Arbeit auch an die barocken Vanitas-Motive, die den Tod als allgegenwärtige Realität ins Bewusstsein rücken.

Die szenische Inszenierung: Vom Bild zur Performance

Zenita Komads künstlerische Praxis überschreitet die Grenzen der Zweidimensionalität und entfaltet sich in einer performativen Dimension. Ihre Werke sind nicht nur statische Objekte, sondern Konzepte, die sich im Raum und in der Zeit manifestieren, in denen Bild, Körper und Aktion zu einer lebendigen Erfahrung verschmelzen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies in der szenischen Umsetzung der schlafenden Figur, die in der Ausstellung durch Franz Hautzinger, den Trompeter verkörpert wird. Während der Preview zur Ausstellung liegt der Musiker im Bett, scheinbar noch in einem Zustand der Ruhe oder des Traums. Doch dann setzt er die Trompete an und bricht mit seinem Spiel die Stille – ein klangliches Erwachen, das den Moment des Übergangs markiert.

Diese Inszenierung führt das Publikum in eine narrative Struktur hinein, in der sich das Werk über die Grenzen des reinen Objekts hinaus erstreckt. Der Trompetenklang wird zum Symbol des Erwachens, zur Metapher für Bewusstsein und Transformation. Diese performative Schichtung zeigt, dass Komads Kunst nicht nur betrachtet, sondern erlebt werden will. Die Bilder werden zu Handlungen, die Konzepte zu lebendigen Prozessen. In diesem Zusammenspiel aus Visualität und Körperlichkeit liegt eine Qualität, die über das traditionelle Kunstwerk hinausgeht: Komads Arbeiten öffnen einen Raum, in dem die Betrachter nicht nur Zeugen, sondern Teilnehmer einer Erfahrung werden.

Die dramaturgische Linie: Eine innere Reise

Die gesamte Ausstellung folgt einer tiefgehenden narrativen Struktur, die sich wie ein roter Faden durch die Werke zieht. Sie erzählt die Geschichte eines Menschen auf seiner inneren Reise – einer Reise, die mit dem Schlaf beginnt, mit der Unbewusstheit, mit einem Dasein, das von Automatismen und Wiederholungen geprägt ist. Doch was geschieht nach dem Erwachen? Gibt es überhaupt ein Erwachen? Diese Fragen durchziehen die Arbeiten von Komad und laden das Publikum dazu ein, sich selbst darin wiederzufinden.

Das Trompetenspiel wird hier zu einem Schlüsselmoment: Der Klang reißt die schlafende Figur aus ihrer Ruhe, zwingt sie, eine Wahl zu treffen. In dieser Wahl liegt die eigentliche existenzielle Spannung der Ausstellung. Sie stellt die Frage nach der Möglichkeit eines spirituellen Wachstums, nach der Entscheidung zwischen Bewusstsein und Verdrängung, zwischen Transformation und Stagnation. Damit schließt sich der Kreis zur Thematik der Spiritualität, die sich nicht als abstraktes Konzept, sondern als reale Möglichkeit der Entwicklung im eigenen Leben manifestiert.

Zenita Komads Arbeiten verknüpfen diese Themen mit einer subtilen Ebene von Humor und Absurdität. Die leicht spielerische, aber dennoch ernsthafte Tonalität ihrer Werke erinnert an die Kunst der Fluxus-Bewegung, in der Alltagsgegenstände und interaktive Elemente verwendet wurden, um die Grenzen zwischen Kunst, Ritual und Leben zu hinterfragen. Komads ironischer Umgang mit heiligen Symbolen und alltäglichen Objekten reflektiert den paradoxen Charakter menschlicher Spiritualität: einerseits tief und ernsthaft, andererseits in ihrer Verkörperung oft trivial und flüchtig.

„Set Your Fears on Fire“: Feuer als Symbol der Erneuerung

Das Werk „Set Your Fears on Fire“, eine großformatige Leinwand mit Streichhölzern, die das Wort „FIRE“ formen, ist ein kraftvoller Appell an individuelle und kollektive Transformation. Komad verwendet das Motiv des Feuers als universelle Metapher für Reinigung, Zerstörung und Erneuerung, das sich durch verschiedene religiöse und kulturelle Traditionen zieht.

Im Judentum ist Feuer ein zentrales Symbol für göttliche Präsenz und Läuterung. Der brennende Dornbusch, wie er in der Tora beschrieben wird, repräsentiert Gottes unveränderliche Kraft und seinen Willen zur Befreiung. Auch das Lichterfest Chanukka, das mit dem Entzünden von Kerzen begangen wird, betont die spirituelle Bedeutung des Feuers als Symbol für Widerstandskraft und Hoffnung. Im Christentum steht Feuer häufig für den Heiligen Geist, wie bei der Pfingsterzählung, in der „Zungen wie von Feuer“ über die Gläubigen kommen und spirituelle Erneuerung bewirken. Im Islam verweist Feuer sowohl auf die Gerechtigkeit Gottes als auch auf die Läuterung der Seele.

Komads Arbeit greift diese universellen Bedeutungen auf und überführt sie in eine zeitgenössische, partizipatorische Perspektive. Die physische Präsenz der Streichhölzer, die tatsächlich das Potenzial tragen, entzündet zu werden, verweist auf die aktive Rolle des Individuums in der Transformation. Die Aufforderung „Set Your Fears on Fire“ lädt den Betrachter ein, seine Ängste bewusst zu konfrontieren und als katalytisches Element für persönliches Wachstum zu nutzen.

Im kunsthistorischen Kontext steht das Werk in Beziehung zu Yves Kleins Arbeiten wie „Fire Painting“ (1961), in denen Klein Feuer als kreatives Medium einsetzte, um seine immateriellen Konzepte zu visualisieren. Auch Jannis Kounellis verwendete Feuer in seiner Installation „Untitled“ (1969), um eine Verbindung zwischen industrieller Ästhetik und spiritueller Symbolik herzustellen. Komads Werk erweitert diese Tradition, indem es die spirituelle Dimension des Feuers mit einem universellen Aufruf zur persönlichen Ermächtigung verbindet.

Die großformatige Leinwand und die klare Botschaft unterstreichen die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit Ängsten, während die physische Materialität der Streichhölzer die Verbindung zwischen Konzept und Handlung verstärkt. Im Kontext der Ausstellung stellt „Set Your Fears on Fire“ einen zentralen Bezugspunkt dar, der die Betrachter zu einer aktiven Reflexion und Transformation einlädt.

Ontologische Fragen zwischen Collage, Techno-Spiritualität und transzendenter Reflexion

Zenita Komads künstlerische Praxis bewegt sich im Spannungsfeld zwischen einer jahrhundertealten Kunsttradition und den drängenden Fragen der Gegenwart, die durch Technologie und Spiritualität geprägt sind. Ihre Arbeiten vereinen die Technik der Collage, deren Geschichte tief in der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts verwurzelt ist, mit Themen wie techno-spirituellem Denken und ontologischen Fragestellungen. Diese interdisziplinäre Herangehensweise erlaubt es Komad, sich in einen breiten kunsthistorischen und kulturellen Diskurs einzuschreiben, der die Grenzen des Materiellen und Immateriellen auslotet.

Die Technik der Collage, die erstmals von Pablo Picasso und Georges Braque während der kubistischen Experimente Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde, markierte einen entscheidenden Moment in der Kunstgeschichte. Mit dem papier collé wurden Fragmente aus Zeitung, Tapeten oder anderen industriellen Materialien in die Bildfläche integriert, um die zweidimensionale Darstellung aufzubrechen und neue visuelle und inhaltliche Dimensionen zu eröffnen (T. J. Clark, 1982). Dieser Prozess etablierte die Collage als Methode, die sowohl formale als auch narrative Disruption ermöglicht, eine Praxis, die bei Komad als Kernstück ihrer künstlerischen Strategie dient.

Ein besonders signifikanter Bezugspunkt innerhalb der Collage-Tradition ist Hannah Höch, deren Arbeiten die dekonstruktiven und politischen Potenziale dieser Technik deutlich machen. In ihrem Werk „Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauch-Kulturepoche Deutschlands“ (1919–1920) werden Fragmente aus Zeitungen, Maschinenbildern und Karikaturen so kombiniert, dass eine kritische Reflexion über die gesellschaftspolitischen Spannungen der Weimarer Republik entsteht (Lavin, 1993). Komads methodischer Zugang zur Collage, der ebenfalls auf die Kombination heterogener Elemente setzt, lässt sich als Weiterführung dieser Tradition interpretieren, indem er existenzielle und spirituelle Themen der Gegenwart visualisiert.

Im Bereich der zeitgenössischen Kunst ist die Arbeit von John Stezaker ein relevanter Vergleichspunkt. Stezakers Collagen, wie etwa seine Serie “Marriage”, setzen gefundene Fotografien ein, um surreale, oft verstörende visuelle Narrative zu schaffen. Seine Praxis, Bildfragmente neu zu kontextualisieren, verweist auf die Möglichkeit der Collage, Identität, Zeit und Erinnerung zu hinterfragen (Smith, 2013). Komads Arbeiten, die ebenfalls mit einer transformativen Neuanordnung von Fragmenten operieren, stehen in einer analogen Beziehung zu Stezakers Methodik.

Techno-Spiritualität: Kunst zwischen Technologie und Transzendenz

Neben der Collage-Technik spielt die Auseinandersetzung mit Techno-Spiritualität eine zentrale Rolle in Komads Werk. Dieser Begriff, der die Verbindung zwischen technologischen und spirituellen Dimensionen beschreibt, wurde in der zeitgenössischen Kunst vielfach erforscht. Besonders prägnant ist die Arbeit von Nam June Paik, dessen Werk „TV Buddha“ (1974) die Konvergenz von östlicher Spiritualität und westlicher Technologie thematisiert. Die Installation, bei der eine Buddha-Statue auf ihr eigenes Abbild in einem Fernsehbildschirm blickt, bietet eine meditative Reflexion über das Verhältnis zwischen Vergangenheit, Gegenwart und medialer Vermittlung (Sooke, 2018). Komads Arbeiten greifen ähnliche Fragestellungen auf, indem sie technologische Elemente nicht nur als Werkzeuge, sondern als integrale Bestandteile eines spirituellen und ontologischen Diskurses einbinden.

Auch die Arbeiten von Rafael Lozano-Hemmer, insbesondere „Pulse Room“(2006), erweitern diese Perspektive. Lozano-Hemmers Installationen nutzen biometrische Daten wie Herzschläge, um individuelle und kollektive Präsenz zu visualisieren. Diese Schnittstelle zwischen biologischer Intimität und technologischer Abstraktion verweist auf die Möglichkeiten, durch Technologie spirituelle und transzendentale Zustände zu erzeugen – ein Ansatz, der sich ebenfalls in Komads Arbeiten widerspiegelt.

Relevante Ausstellungen, die ähnliche thematische Schwerpunkte setzen, bieten weitere kontextuelle Verankerungen für Komads Werk. Die Ausstellung „The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890–1985“ (1986, Los Angeles County Museum of Art) untersuchte, wie Künstler wie Wassily Kandinsky oder Piet Mondrian das Spirituelle als zentrale Kategorie ihrer abstrakten Malerei etablierten. Diese historische Perspektive wurde in der Ausstellung „A New Age: The Spiritual in Art“ (2023, Tel Aviv Museum of Art) erweitert, die sich zeitgenössischen Positionen widmete und die fortwährende Relevanz des Spirituellen in der Kunst hervorhob.

Parallel dazu thematisierte die Ausstellung „Technoschamanismus“ (2021–2022, Hartware MedienKunstVerein HMKV Dortmund) die Verbindung von Technologie und schamanischen Praktiken. Hierbei wurde nicht nur die kulturelle Aneignung solcher Praktiken kritisch beleuchtet, sondern auch die transformative Kraft moderner Technologien in rituellen Kontexten untersucht. Komads Arbeiten, die technologischen und spirituellen Elemente verschmelzen, lassen sich in diese Debatten einordnen und erweitern diese durch ihre spezifische Perspektive auf

Die theoretische Grundlage für Komads Auseinandersetzung mit Techno-Spiritualität wird durch wissenschaftliche Überlegungen wie jene von Heidi A. Campbell gestärkt. In ihrem Artikel „Problematizing the Human-Technology Relationship through Techno-Spiritual Myths Presented in The Machine, Transcendence, and Her”(2016) analysiert Campbell, wie techno-spirituelle Mythen in populärkulturellen Narrativen verhandelt werden. Diese Perspektive ermöglicht ein vertieftes Verständnis dafür, wie künstlerische Arbeiten wie die von Komad die Beziehung zwischen Mensch, Technologie und Transzendenz reflektieren.

Auch die Debatten um Technoschamanismus bieten theoretische Anknüpfungspunkte. Arbeiten wie „Shamanism and New Media“ (Lombard, 2020) analysieren die kulturelle und ästhetische Transformation schamanischer Praktiken durch digitale Medien und stellen eine Verbindung zwischen traditionellen und zeitgenössischen Formen spiritueller Kunst her.

Die Entscheidung: Tierischer Instinkt oder spirituelle Heilung?

Komads Kunst ist mehr als eine Reflexion über das Spirituelle – sie ist selbst ein Werkzeug des Erwachens und der Heilung. Die schlafende Figur ist nicht nur ein Symbol, sondern ein Abbild eines jeden Menschen, der sich an einem Scheideweg befindet. Die Ausstellung verweist auf eine fundamentale Wahl: Folgt der Mensch seinen rein animalischen Bedürfnissen, gibt er sich dem Ego, dem Konsum, der Befriedigung seiner unmittelbaren Triebe hin? Oder überwindet er diese Ebene und öffnet sich für eine tiefere, heilende Verbindung mit dem Unendlichen?

Diese existenzielle Spannung wird durch die Arbeit mit dem verknoteten Messer „Transformation“ verdichtet. Das über dem Bett schwebende Schwert ist nicht nur ein Symbol für die ständige Präsenz des Todes, sondern auch für die Verantwortung, die mit jeder Entscheidung einhergeht. Es erinnert daran, dass wahre Freiheit immer eine Wahl bedeutet – und dass Heilung nicht einfach geschieht, sondern bewusst gesucht werden muss. In dieser Gegenüberstellung offenbart sich die zentrale Botschaft von Komads Werk: Die spirituelle Reise ist kein Zustand, sondern ein Akt der Entscheidungen, ein ständiges Ringen um Bewusstsein, Transformation und inneres Wachstum.

 

Literaturverzeichnis

Campbell, Heidi A. „Problematizing the Human-Technology Relationship through Techno-Spiritual Myths Presented in The Machine, Transcendence, and Her“. 2016.
Clark, T. J. „The Picasso-Braque Collaboration“. In Modernism and the Paris Avant-Garde. Princeton University Press, 1982.
Douglas, Mary. Purity and Danger: An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo. Routledge, 2002.
Goldmann, Judith. Felix Gonzalez-Torres: Specific Objects Without Specific Form, Steidl, Göttingen, 2009.
Lavin, Maud. Cut with the Kitchen Knife: The Weimar Photomontages of Hannah Höch. Yale University Press, 1993.
Lombard, Mathew. „Shamanism and New Media“. Routledge, 2020.
Los Angeles County Museum of Art. The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890–1985. Ausstellungskatalog, 1986.
Lozano-Hemmer, Rafael. Pulse Room. 2006.
Nam June Paik. TV Buddha. 1974.
Stezaker, John. Marriage Series. Ausstellungskatalog, 2017.
Tel Aviv Museum of Art. A New Age: The Spiritual in Art. Ausstellungskatalog, 2023.
Hartware MedienKunstVerein  (HMKV) Dortmund. Technoschamanismus. Ausstellungskatalog, 2021.