Schachoskop. Das Assoziationspotential der Figuren und Felder
Peter Vuijca
Das Schachspiel eröffnet wie jede andere Tätigkeit auch Assoziationsfelder, die weit über diese hinausgehen, im vorliegenden Fall über die Anwendung der vorgegebenen Spielregeln.
Assoziationsfeld I: Die Figuren.
Allgemeines: Der Ursprung des Schachspiels liegt in Indien, manches deutet auch auf China hin. Das Spiel in seiner heutigen Form wurde im arabischen Raum entwickelt. Das heißt, die sehr detailliert gegenständliche Form der Schachfiguren wurde gemäß den Gesetzen des Islam abstrahiert. Erst nach dem Eindringen des Spiels in den christlichen, europäischen Bereich erfolgte eine neue Konkretisierung der einzelnen Figuren.
Bedeutungsgeschichte der einzelnen Figuren:
Der Turm
In Indien war der Turm ein Abbild eines Streitwagens, der aus einer Befestigung auf dem Rücken eines Elefanten bestand. Er trug den Namen Rukh oder auch Ratha. Aus dieser Funktion leitet sich auch seine Funktion ab: Horizontal oder vertikal geradlinig über eine beliebige Anzahl von Feldern.
In den großen Arkana des Tarot findet diese Figur ihre doppelten Entsprechung: Der Streitwagen entspricht der 7, die für Triumph und Sieg steht. Der Turm hingegen wird durch die 16. Karte symbolisiert, die den Titel „Brennender Turm“ trägt. Diese Karte ist das Symbol für Zerstörung, Erschütterung, Umbruch, gescheiterte Hoffnung, überraschende Trennung.
Der Springer
Schon im indischen Urschach (das mitunter zu viert und mit einem Würfel gespielt wurde) vollzog diese Figur die gleiche Bewegung wie im heutigen Schach. Sie trug den Namen Ashva.
Der Läufer
Diese Figur ist zweifachen Ursprungs: Im indischen Urschach war der Läufer ein Elefant, der sich nur zwei Felder in diagonaler Richtung weiter bewegen durfte, wohl aber die Möglichkeit hatte, eine Gestalt zu überspringen. Da es in der westlichen Welt keine Elefanten gab, mutierte die Figur zum Läufer. Mit dieser Wesensveränderung erweiterte sich auch seine Bewegungsmöglichkeit.
Sowohl der Läufer als auch der Springer spiegeln sich im Tarot in der Figur des wendigen, zu raschen Aktionen neigenden Ritters.
Die Dame
Auch diese Figur geht auf zwei Archetypen zurück: In den ursprünglichen Varianten des Schach fungierte an der Position der Dame der Berater, auch Wesir genannt. Als solcher verfügte er nur über eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten, und zwar jeweils ein Feld in diagonaler Richtung. Die heute übliche Figur der Dame mit ihren vertikal, hoirzontal und diagonal uneingeschränkten Aktionsmöglichkeiten gibt es erst seit dem 15. Jahrhundert.
In den Großen Arkana des Tarot findet diese Figur in der dritten Karte ihre Entsprechung, die Wachstum, Lebendigkeit, Üppigkeit, Kreativität, Veränderung, Entfaltung, Lebendigkeitbedeutet.
Der König
Die Aktionsmöglichkeiten dieser Figur sind von Anfang an gleich geblieben. Ebenso wie die Gestalt selbst. In den Großen Arkana des Tarot kommt dieser Figur die vierte Karte zu, durch die Stabilität, Ordnung, Kontinuität, praktische Intelligenz, Disziplin, Tüchtigkeit, Klarheit der Ziele und Erfolg sybolisiert werden.
Der Bauer
Auch diese Figur hat sich seit dem Urschach nicht verändert. Die Häufigkeit, mit der er auftritt, signalisiert seine relative Wertlosigkeit.
Im Tarot entspricht dem Bauern die Gestalt des Buben in den Kleinen Arkana, die in allen vier Farben für Hilfe und positiv anregende Impulse steht.
Assoziationsfeld II: Das Schachbrett
Das Schachbrett besteht aus 64 Feldern. Dass das I Ging 64 Hexagramme kennt, mag vielleicht ein Zufall sein, oder, wenn das Schachspiel tatsächlich aus China stammt, auch nicht. Auch bei den herkömmlichen Internetverbindungen kommt der Zahl 64 eine Schlüsselposition zu.
Die Zahl 64 ergibt sich aus der Multiplikation der Zahl Acht mit sich selbst.
Die Zahl Acht wiederum stand Aufgrund ihrer eigentümlichen arithmetischen und geometrischen Verhältnissen bei den alten Völkern in besonderem Ansehen. Nach der biblischen Erzählung von der Sintflut blieben acht Menschen übrig: Vater, Mutter 3 Söhne und 3 Schwiegertöchter.
In der Astrologie der Chaldäer dienten acht Reiche des Himmels der näheren Bestimmung der Weltgegenden, die Griechen bildeten die Hauptwinde auf einem Oktogon ab. So bestätigt auch die Baukunst des Altertum die uralte Bedeutsamkeit der Zahl acht.
Bei den Pythagoräern ist sie die Zahl der Gerechtigkeit, weil sie in 2 gleiche Zahlen, nämlich 4, geteilt werden kann, und durch wiederholte Teilung ergibt sich wieder ein durchaus gleicher Quotient, um dieser fortlaufenden Gleichheit wegen wurde sie zur Zahl der Gerechtigkeit.
Auch unter den 22 Großen Arkanas des Tarot gilt die Acht als Zahl der Gerechtigkeit.
Die quer gelegte Acht ist übrigens auch das mathematische Symbol für unendlich.
Die Acht selbst ergibt sich, wenn man die Vier mit sich selbst addiert. Ebenso wie das schematische Ziffernbild der Acht aus einer Überlagerung zweier Quadrate entsteht.
Im Gegensatz zur Drei als Zahl der göttlichen Trinität galt die Vier nicht zuletzt im Hinblick auf die vier Himmelsrichtungen und auf die vier Elemente als die Zahl des irdischen.
Außerdem steht die Zahl Vier vor allem in den östlichen Kulturen auch für Unheil und Beschwernis. In Feng Shui-Kreisen hört man immer wieder, dass die Zahl vier (etwa als Hausnummer, im Geburtsdatum oder im Kalender) Unglück bringen soll. Dies deshalb, weil auf Japanisch und in mehreren chinesischen Dialekten die Worte "vier" und "Tod" phonetisch beinahe identisch sind.
Nun wurden 47 Millionen (!) Daten des amerikanischen Sterberegisters aus den Jahren 1973 bis 1998 unter diesem Aspekt auf Auffälligkeiten untersucht. Und tatsächlich: "Die Häufigkeit von Herztoden beim asiatischen Bevölkerungsanteil der USA stieg am und um den 4. eines Monats um etwa 13 Prozent, in Kalifornien sogar auf bis zu 27 Prozent.
In den Großen Arkanas des Tarot ist die vierte Karte dem Herrscher zugeordnet. Der Herrscher gilt als Symbol der Festigkeit, des Selbstvertrauens, der Sicherheit. Da das Schachspiel aus zwei Königen besteht, weist diese Doppelpräsenz ebenfalls wieder auf die Acht hin.
Einen bemerkenswerten Aspekt liefert auch die starke Präsenz der Zahl Neun. Dazu ist es notwendig die Ordnungsbuchstaben des Schachbretts in Kabbala-Zahlen umzuwandeln. Die Entsprechungen lauten, wie folgt:
a=1; b=2; c=3; d=4; e=5; f=6; g=7; h=8
Daraus ergibt sich, dass die Positionszahlen der Figurenpaare stets eine Neun ergeben:
Die beiden Türme: a+h=1+8=9
Die zwei Springer: b+g=2+7=9
Die zwei Läufer: c+f=3+6=9
Dame und König: d+e=4+5=9
Die Neun ist insofern eine besondere Zahl, weil sie oder ein Vielfaches von ihr zu jeder beliebigen Zahl hinzugezählt werden kann, ohne dass sich deren Ziffernsumme verändert. (z.B. 43 hat die Ziffernsumme 7. 43+9=52. Die Ziffernsumme dieser Zahl lautet ebenfalls 7). Multipliziert man hingegen eine beliebige Zahl mit neun oder einem Vielfachen von neun, so lautet die Ziffernsumme in jedem Fall neun. (17:1+7=8; 17x9=153:1+5+3=9).
In den Großen Arkana des Tarot ist die Neun die Karte des Eremiten und bedeutet Einsamkeit, Stille, Selbstfindung, Überprüfung alter Ziele und Ansichten.