Rede zur Eröffnung der Ausstellung Zenita Komad, Rosmarie Lukasser und Terry Fox am 29.01.2013
von Prof. Peter Weiermair
Die Galerie Krinzinger eröffnet drei Ausstellungen in den Räumen der Seilerstätte.
Den linken Seitenflügel hat man dem wichtigen und frühen Performance-Künstler Terry Fox, den Ursula Krinzinger Ende der 70er Jahre nach Wien brachte, eingeräumt. Er enthält Dokumente, Manuskripte, Montagen von Zeichnungen und Musikinstrumenten, sowie ein Video, welches eine wichtige Aufführung dokumentiert. Der vor allem in Kalifornien und später auch mit Joseph Beuys in Europa arbeitende Künstler, den ich in den 70er Jahren anlässlich einer Installation am Inn, dem Fluss, der Innsbruck durchquert, kennenlernte, gehört zu den wichtigen kalifornischen Künstlern, die im Programm der Galerie seit jeher eine wichtige Rolle spielen.
Den rechten Flügel bespielt Zenita Komad, eine der jüngsten und außerordentlich produktiven Künstlerin dieser Galerie, die eine Installation mit einer dichten Galerie von Arbeiten auf Papier im zentralen Raum, einer Art Kapelle schuf, in der sich die roten Fäden der Installation zu einem bedeutungsvollen Zeichen vereinen und in der sie ihre Bekenntnisse in Form von Collagen bündelt.
Im Erdgeschoss hat sich die altersmäßig fast gleichaltrige Osttirolerin Rosmarie Lukasser eingerichtet, die jedoch ganz unterschiedlich wie Zenita Komad arbeitet und den Eingangsraum wie ein Laboratorium benutzt – der Betrachter setzt das Licht in Kraft, welchem sie eine zentrale Bedeutung einräumt. Im Hauptraum platziert sie dann die dann mit Gips- und Metallstruktur angedeutete Figur eines Zeitgenossen oder einer Zeitgenossin, deren Sprache der Hände, in deren Mitte ein Licht leuchtet, von Bedeutung ist. Die räumlichen Beschränkungen, ja auch die Tatsache, dass der Betrachter mitinvolviert ist, indem er das Licht einschaltet, die Energie also, welche thematisch die Arbeit mitfundiert, sind außerordentlich klug genutzt.
Was diese drei Präsentationen vielleicht ganz unbeabsichtigt vermögen, ist es, den Betrachter zu einem Vergleich zwischen zwei heute möglichen ästhetischen Strategien anzuregen, die ihren Ausgangspunkt in den revolutionären 60er Jahren besitzen.
Terry Fox ist in Österreich,von Ursula Krinzinger eingeladen, in Innsbruck und Wien aufgetreten. Wenn ich vom Auftritt des inzwischen verstorbenen Künstlers spreche, so meine ich seine performative Praxis nach der radikalen Entscheidung, die er 1968 getroffen hatte, die Malerei aufzugeben. Wir kennen diese Entscheidung, die auch österreichische Künstler getroffen haben als eine Haltung, neue Medien in den Mittelpunkt der Ästhetik zu stellen. Kunst, so stellte Terry Fox fest, sei weniger eine Produktion von Objekten, als eine Generation von Gedanken, die zur Erweiterung des menschlichen Bewusstseins führten. Nur begrenzt ist diese Kunst an Objekte gebunden. Der Raum, in dem er agiert, ist ein Erlebnisraum, wie der des Betrachters, sowie sein Körper auch zum Raum wird, mit dem er arbeitet. Terry Fox, Zeit seines Lebens schwer krank und Gegenstand zahlreicher operativer Eingriffe, hat die Öffnung seines Körpers miterlebt. Er wollte öffentliches Theater machen und hat mit Musik, einer ganz elementaren Musik, gearbeitet und mit Dichtern, wie etwa dem Tiroler Georg Decristel, der die Maultrommel spielte, zusammengearbeitet. Die eigene Gegenständlichkeit, seine Materialität, die Ereignishaftigkeit der Welt wird als energetisches und skulpturales Potential begriffen. Autobiografisches und Potenzielles überlagern sich bei ihm. „Man muss leben können, um Kunst zu machen, und das sei genug“, hat sein Freund Jochen Gerz einmal über ihn gesagt. Terry Fox hat sich in einer späteren Phase seines Werks mit dem Thema des Labyrinths befasst. Ausgehend vom Labyrinth von Chartres versteht Terry Fox das Labyrinth als Metapher des Lebens.
Symbole, Gleichnisse, visuelle Metaphern sind auch für die österreichische Künstlerin Zenita Komad wichtig. Dies zeigt sich auch in ihrer Installation mit Schnüren. Gegen den Archaiker Fox, der durchaus auch elementare Fragen der Existenz in seiner Arbeit berührt, ist die Existentialistin Zenita Komad allemal narrativer, erzählerischer, bunter, witziger, ja manchmal auch um Kalauer nicht verlegen. Gegen das franziskanische Temperament eines Terry Fox ist sie ein barocker Abraham a Santa Clara einer neuen Spiritualität. In einer Landschaft, die wir eben von Jonathan Meese vorgeführt bekommen haben, die u. a. polemisch und zynisch-hysterisch bestimmt ist, in einer Kunstlandschaft, in der die negative Definition bis hin zur Blasphemie zum Überdruss herrscht, schlägt Zenita Komad einen überraschend ungewohnten, charismatischen Ton an, der vor allem in ihren Textcollagen und Montagen deutlich wird. Man kann sich ihrer Arbeit von zwei ganz unterschiedlichen Seiten nähern: Einerseits laden ihre Texte (ich erinnere auch an die Texte von Louise Bourgeoise) dazu ein, Welt– und Lebensanschauungen der Künstlerin zu deuten. Man kann sie also ernst nehmen und ihren Aufforderungen nacheifern. Da wir hier aber keinen spirituellen Kolleg veranstalten, der die Künstlerin vielleicht am meisten interessieren würde, suchte sie doch vielleicht Jünger, bleibe ich beim Studium formal – phänomenologischen Seite ihrer Arbeit, für die die Sprache und die Versprachlichung ganz wesentlich ist. Von der Sprache der Taubstummen in Form abgegossener Handhaltungen über die Sprache der Kartografie und die der symbolischen Zeichen (Bündelung der Stricke), der unterschiedlichen Bedeutungsebenen von oben und unten bis hin zu einer Fülle von Bildzitaten und typografischen, semantisch-semiotischen Lösungen, die ihr offensichtlich viel Spaß bereiten, tobt sich dieses barocke Talent aus. Zenita Komad zieht ihre roten Fäden von den unterschiedlichen geografischen Punkten einer Welthandelskarte der Zwischenkriegszeit durch eine Mauer und bündelt sie, um sie dann zu einem vielbedeutenden Zeichen in die Höhe zu ziehen. Der babylonischen Sprachverwirrung und der ungerechten Verteilung von reichen und armen Ländern setzt sie die Utopie eines harmonischen Zusammenlebens entgegen.
In der Arbeit von Terry Fox geht es um die elementaren Bedingungen der menschlichen Existenz, deren zentrale Äußerungen für ihn sind: Schlaf und Wachssein, Zeit und Zeitlichkeit, die Widerstandskraft des Körpers, Leben und Tod und die Subjektivität jedes einzelnen als Ort der Erfahrung. Bei Zenita Komad provoziert die Autorin durch paradoxe und oft naiv erscheinende Fragen und Antworten den Betrachter über den Sinn unseres Lebens, die Existenz zu mehreren, zwischen den Generationen und Völkern, nachzudenken.
Ein ganz anderes Weltbild von großer Aktualität begegnet uns bei der Recherche von Rosmarie Lukasser. Sie setzt sich mit einem Bewusstseinszustand, ja einer Kommunikationspraxis auseinander, die unsere Vorstellung von unserer Welt und von uns selbst gänzlich revolutioniert hat, bis hin zur Körperhaltung, mit der sich die Künstlerin im Hauptraum auseinandersetzt. Dort begegnet ihm, wie in einem ägyptischen Grab, eine Figur, deren Handhaltung und das in den Händen befindliche Licht (Zeichen der Immaterialität) Ausdruck unserer gewandelten Einstellung gegenüber einer sich verflüchtigenden und immateriell werdenden Welt, ist. Im Eingangsbereich, der Besucher wird zum Mitspieler, indem er selbst das Licht in Gang setzt, finden wir auch bei Lukasser eine Weltkarte. Diese ist jedoch nicht eine Welthandelskarte für Schüler aus der Zeit der 20er-Jahre, sondern eine Demonstration, die den Energieverbrauch der Länder, in denen zu einem bestimmten Zeitpunkt Internetaktivitäten vorherrschen. Nicht ohne Grund ist der schwarze Kontinent dunkel. Netzzeit und Körperzeit werden in ihrer Arbeit konfrontiert, es gelingt der Künstlerin, die Situation, in der wir uns heute befinden, was unsere Kommunikation, unser immer immaterieller werdendes Lebens- und Weltverständnis betrifft, befindet in beunruhigende Objekte und Bilder überzuführen. Gegenüber ihrem Statement mag vieles was heute künstlerisch erarbeitet wird, atavistisch erscheinen.