Marias Pfeil

von Stefan Musil

Maria. Wie kamst Du nach Zenita City?
Du Schlafwandlerin und keusche Göttin des Gesangs, Du Kurtisane Deines Lebens und Untote Deines Erfolgs.
Als Gefangene hinter der Larve Deiner eigenen Ikone schaust Du nun in die Zenita-Welt hinaus. Aus Deinen todschönen und tieftraurigen Augen.
Deinen rot und blutig gesungenen Mund zeigst Du uns lautlos. Die Fesseln Deines Lebens glaubst Du abgeworfen? Sie sind aber noch da. Und drohen Dir hängend ins Gesicht.
Ein neues Spiel hat begonnen – ein Spiel, das dich stumm lässt.
Auf ein Neues also, nachdem Du Dein eigenes Leben verspielt hast.
Es hatte sich schnell ausgelebt für Dich. Deine kühnen Züge im Leben haben Dich schon vor der Zeit mundtot gemacht. Dein Einsatz war hoch. Dein Pokern um die Liebe hat Dich vom Spielbrett gefegt.
Was bleibt: Zur Ewigkeit verdammt in Nullen und Einsen. Die Göttliche, die Tigerin, einfach zum Abspielen. Jetzt bist Du also für jeden verfügbar geworden.
„Gott ist das Nichts“ – steht es neben Dir in Zenita-City. „Gott ist nicht Nichts“ heißt es hier auch. Und die Augenpaare sind noch immer auf Dich gerichtet. Dort bist Du also gestrandet – oder das was von Dir übrig ist. Du Schall und Maske gewordene Göttin.
Dir war Dein Gott nicht Nichts? War er es wert? Dein alternder griechischer Poseidon mit seinen Schiffen, der dich aus Deinem Himmel lockte und für eine Irdische wieder verstieß.
Art is a Doctor!
Konnte Deine Kunst das heilen? Oder war es nur kurze Linderung der Lebensschmerzen? Sie konnte Dich nicht retten. Denn Du hast sie verraten. Für Deinen Gott, der heute nichts mehr ist.
Wie oft hast Du Deine Kinder im Stich gelassen, als Du Druidin mit Deiner verbotenen Lebensliebe auf den Scheiterhaufen stiegst? Wie viele Male hast du auf Deine Kinder eingestochen, weil Dir in Korinth die Magie versagte, um den Mann Deiner Träume an Dich zu fesseln? So lange, bis Dich der eigene Sohn verlassen musste.
Selbst als Du schon stumm warst, hast Du noch ein letztes Mal Pasolinis Dolch in die Kinderkörper gejagt.
Da helfen keine Tränen mehr. Keine Töne, die ins Herz wie Pistolenschüsse treffen. Ja, nach Öl wird man ums Wasser kämpfen, „After oil, they will fight for water“ – und nach Dir kamen andere. Auch sie hat man geliebt.
Der rote Pfeil, der Dir ins Hirn gefahren ist, hilft er Dir noch einmal? Schießt er Dich ins Leben zurück? Noch wirft er Dir einen schmalen Schatten.
Oder hat sich Dein Amor schon wieder kräftig verschossen?
In Zenita-City bist Du noch einmal ins Spiel geholt worden.
Da lacht sich sogar Velasquez in seinen langen Rüssel.